Spannend wurde es am 6. und 7. Tag unserer Reise. Die Besteigung des höchsten Berges Costa Ricas - dem Cerro Chirripó (3820m) - stand an. Der Berg liegt im gleichnamigen Nationalpark, nicht weit von der Stadt San Isidro de General. Am Vortag mussten wir die Gipfel-Formalitäten klären und uns registrieren, denn pro Tag dürfen nur 30 Personen auf den Gipfel steigen. Wir gaben noch unsere Utensilien und Wechselkleidung ab, die am nächsten Morgen durch Pferde zu unserer Hütte getragen worden. In der Nacht träumte ich gleich dreimal vom Berg, habe aber gleichzeitig bei schlaflosen Momenten schon gedacht, dass die Wanderung ins Wasser fällt, da ich die ganze Nacht über das Wasser rauschen hörte. Erst am Morgen um 5h30 bemerkte ich bei klarem Himmel und trockenem Boden, dass das Rauschen nicht vom Regen, sondern vom Bach nebenan gekommen ist.
Ziel des ersten Tages war die Hütte Cerro Crestone auf 3400m. Um 7h war Abmarsch. Immer gleichmässig schraubten wir uns die anfänglich steilen Kurven durch den Regenwald bergauf. Hier und da wurde es matschig, aber dank der Wanderstöcke kamen wir ganz gut vorwärts. Wir hatten Glück mit dem Wetter, es war kaum eine Wolke zu sehen und wir konnten tief ins Tal blicken. Auf halber Strecke (7km) kamen wir an einer unbewarteten Schutzhütte vorbei, bei der man Wasser auffüllen kann. Die Pause bietet sich auch an, einmal genau in den Wald zu horchen und die vielen Vögel zu beobachten (u.a. Kolibris und Gelbschenkelfinke). Dann ging es sehr steil durch den Bergnebelwald weiter, bis wir auf ca. 3000 Meter über dem Meer plötzlich eine mehr oder weniger baumlosen Zone erreichten. Hier gab es mehrere Waldbrände, so dass der eigentliche Wald nicht mehr vorhanden ist (die Baumgrenze befindet sich in Costa Rica auf 3500m). Bald sieht man auch den Cerro Crestone - eine schöne Felsformation - und dann auch bald die Hütte. Mit kleinen Pausen brauchten wir für die insgesamt 15 Kilometer (1900 Höhenmeter) ca. 7 Stunden.
Die Hütte selbst ist sehr einfach, verfügt über mehrere Zimmer mit je 4 Schlafplätzen. Man muss selbst kochen, dementsprechend muss man das Essen hochbringen (lassen). Ein dicker Schlafsack empfiehlt sich auch, da es entsprechend kalt wird. Decken kann man sich aber beim Hüttenwart ausleihen. Kostenloses Internet hat man auch (was will man mehr) ;-)
Nach einem tollen Abendessen, das von unserem Reiseleiter gezaubert wurde, und einer guten Nacht hiess es um 2 Uhr des Folgetages Tagwache. Wir tranken schnell einen Kaffee und schon ging es durch die sternenklare Vollmond-Nacht. Wir wussten schon jetzt, dass uns ein atemberaubender Sonnenaufgang erwarten wird. Somit legten wir noch einen Zahn zu und standen um Punkt 5 Uhr nach einer kurzen Kletterpassage kurz vor dem Ziel auf dem höchsten Gipfel Costa Ricas. Nachdem sich alle versammelt hatten, wurden Erinnerungsfotos geschossen und mit Rum auf den Gipfelerfolg angestossen. Selten habe ich so einen schönen Aufstieg und ein so aussergewöhnliches Panorama genossen. Vor uns ging die Sonne über Panama auf, hinter uns ging der Vollmond unter. Auf der einen Seite sahen wir die Wolken über der Karibik, auf der anderen Seite die über dem Pazifik. Wir konnten selbst die Ziele und Orte der vergangenen Tage ausmachen: Vulkan Irazú, den leicht rauchenden Vulkan Torillalba und den Cerro de la Muerte, den wir auf der Passstrasse umfahren hatten. Welch ein toller Blick!
Nach 1.5h Gipfeleuphorie stiegen wir wieder ab, zunächst wieder bis zur Hütte. Nach dem phänomenalen Frühstück (wiederum gezaubert durch unseren Reiseleiter) mussten wir nun den gleichen Weg zurück zu unserem Hotel laufen. Hier hiess es nur noch: Augen auf und durch... Der letzte Kilometer war der schlimmste, immerhin hatten wir an diesem Tag schon 9 Stunden Fussmarsch auf 26 Kilometern hinter uns. K.O., aber glücklich kamen wir schliesslich im Hotel an, wo schon kalte Getränke auf uns warteten.
Die Besteigung des Cerro Chirripós ist technisch einfach (nur für 30m unterhalb des Gipfels braucht man die Hände zum Stützen), aber konditionell sehr fordernd. Es sind am ersten Tag 1900 Höhenmeter bergauf und am 2. Tag 400 Höhenmeter bergauf und 2300 Höhenmeter bergab zu laufen. Die Wege sind gut, jedoch oftmals sehr rutschig, vor allem im Regenwald. Jeder geschaffter Kilometer wird durch ein Schild angezeigt. Den Weg kann man nicht verfehlen. Neben den vielen Vögeln sahen wir ein lustiges Eichhörnchen, einen Kurzhornkäfer, Eidechsen, einen Pagageienschwarm, einen schönen Schimmel und Kühe. Unser Highlight des Aufstieges - auch wenn es ein wenig respekteinflössend war - war das Sichten eines Kojoten, der als sehr scheu gilt (selbst der Hüttenwart hat erst einmal einen Kojoten gesichtet). Des Weiteren soll es auch Klammeraffen, Tapire und Bergpumas geben. Wegen der Wildtieren sollte man diese Tour nie alleine durchführen.